Okt 132015
 

 Ökumenischer Jugenddienst seit 1955/1956 – Seniorenkreis
Konvent in Neudietendorf  26. – 30. September 2015
„Anpassen – Beharren – Widerstehen“

ZUM THEMA  ANPASSEN – BEHARREN – WIDERSTEHEN

Von Nico Plomp, Neudietendorf 2015

Martin Conradi hat eine Notiz geschrieben zum Vorbereitungstreffen, das im Januar dieses Jahrs stattgefunden hat. Darin zitiert er ausführlich Gretchen Seiffert, die ihm in einem Brief ihre Wünsche für diese Konferenz bekannt gemacht hat.

  • Balance zwischen den persönlichen Begegnungen und spontanen Gesprächen in kleinen Gruppen.
  • Zu den längeren Beiträgen möchte ich sagen, dass das Aufnahmevermögen von zu vielen guten Gedanken einfach zuviel werden kann. Ich wünsche mir diese Beiträge knapp und von persönlichen Erfahrungen bestimmt.
  • Auch wäre ein visuelles Gerüst, wie Stichworte oder Computerprojektion hilfreich.

Gretchen hat keine Themen vorgestellt doch Martin gibt eine Aufzählung.

  • Freiheit – Befreiung – Entwurzelung
  • Wahrheit – Wahrhaftigkeit
  • Recht – Gerechtigkeit
  • Frieden – Friedfertigkeit
  • Lebensziel
  • Fundamentalismen – Graswurzelbewegungen
  • Wieso, Warum, Wofür, Wogegen
  • Anpassen – Beharren – Widerstehen

Alle großen Themen die passen in unsere Tradition von  bewusst und verantwortlich Leben und stehen für Gerechtigkeit aber auch für was Grüblerisches, vielleicht auch etwas Übermütiges.

Elly mit der ich alle Vorbereitungen besprochen habe und ich hatten den klaren Vorzug für das das Thema Anpassen – Beharren – Widerstehen, wozu wir uns schließlich entschieden haben.

Warum?

  1. Es geht um unser Verhalten und bezieht sich auf jeden von uns. Man braucht auch keine Vorkenntnisse. Es entspricht dem Wunsch von Gretchen. Das Thema soll eine Herausforderung sein für spontane Gespräche!
  2. Ein zweiter Grund war, dass das Thema Relevanz hat für ein Buch, das ich im letzten Jahr studiert habe:
                                                                    Die Kunst friedlich zu kämpfen
    von Hans Achterhuis und Nico Koning und worüber ich auch eine Vorlesungsreihe von beiden Autoren verfolgt habe.

EINIGE BEMERKUNGEN

  • Ausgangspunt dieses Buch ist, dass dass über Jahrhunderte die Zahl der bewaffneten Konflikten, (oder die relative Anzahl von Menschen, die getötet werden in bewaffneten Konflikten) immer geringer wird. Während des Dreißigjährigen Krieges ist ein Drittel der Bevölkerung in den deutschen Gebieten gestorben.
  • Einer der Schussfolgerungen ist, dass eine Welt ohne Konflikten oder Kämpfen undenkbar und auch unerwünscht ist.

Die Frage die dieses Buch beantworten will lautet:

Gibt es einen Schlüssel zum friedlichen Leben? 

Wir fanden dies eine fesselnde Frage weil wir – jedenfalls ich – gelernt haben, dass man sich anpassen und gehorsam sein soll.  Und nach diesen Autoren reicht das nicht mehr als Erziehungziel. Ich erinnere mich, wenn ich meine Mutter als Kind fragte, was sie sich für Muttertag wünschte, hat sie zu meine Großen Enttäuschung gesagt, dass ich  einen Tag gehorsam seien soll.

Als ich 14 Jahre alt war (1961) habe ich die Ferien in einem Deutschen Jugendlager der Evangelischen Kirche von Bergkamen verbracht. Nach dem Frühsport stellten wir uns neben unseren Zelten auf und sollten Folgendes nachsprechen:

Wir wollen sein,
eine Jugend mit der Bibel,
leibhaftig und getreu im Eltern-Haus
und gehorsam in der Schule.

Auch in der DDR gab es natürlich solche Beschwörungsformen, dss die Kinder nationale Werte einprägten sollten.

Für die nachfolgenden Gruppengespräche möchte ich einige Gedanken anbieten, die vielleicht hilfreich sein können.

ZIEL

  1. Erfahrungsaustausch, persönliche Gespräche
  2. Bewusstmachen der eigenen Verhaltensstile (Anpassen, Beharren, Wiederstehen) und deren Anwendung in verschiedenen Situationen

PROGRAMM:

  • Nico Plomp: Anpassen,Beharren, Widerstehen als Einstiegsreferat
    • Teil 1 Die Kunst friedlich zu kämpfen
    • Teil 2 Verhaltensmöglichkeiten

Pause

  • Elly Bakker: Rose von Leary: Einleitung in die Gruppenarbeit
  • Gruppenarbeit

TEIL 1  DIE KUNST FRIEDLICH ZU KÄMPFEN

Für die Antwort auf die Frage nach der Ursprung der Gewalt nehmen Hans Achterhuis und Nico Koning ihren Ausgangspunt bei René Girard der behauptet:

1. Ursprung der Gewalt: ist das mimetisches (auf Nachahmung basiertes) Begehren 

  • Begehren durch Andere (Eifersucht)
  • Von Faszination zur Rivalität

2. Kampf und Frieden 

  • Kampf ist anthropologisch gegebenen
    • Ringen ums Überleben: Kämpfen für ihren Platz
    • Wetteifern um den Begehrten: Rivalen deinen Nächsten
    • Sich einsetzen  für das Heilige: Aktivist für die heilige Sache
  • Frieden ist eine anthropologische Notwendigkeit, durch Zivilisation (die gesamte Kultur) wird Gewalt reguliert und Gruppen-Kohäsion verstärkt.

 3. Sündenböcke: Krieg aller gegen einen; verstärkt die Gruppen- und Stammeskohäsion

  • Namensnennung der besonderen Eigenschaften: Sündenbock
    •  Satanisch / Göttliche: z.B. die Juden, Zigeuner),
    •  Mythenbildung
    •  Tieropfer (Lamm Gottes)
  • Die Begeisterung über die Ursache der Verbrüderung

4. Vertikale Zivilisation: Die traditionelle Ordnung

  • Kultur des Gehorsams
    • Auf übernatürliche Autorität
    • Bei Vätern und Häuptlingen
    • Staat
  • Ungleichheit  Grundlage der Zivilisation
    • Die Angst der Gleichheit
    • Vermeiden Rivalität, Bruder

5. Zerreißen der vertikalen Ordnung durch Modernisierung

  • Entheiligung
    • Untergrabung der Autorität
  • Enthüllen
    • Demontage des Sündenbockmechanismus
  • Entbrüdern
    • Untergrabung der Verwandtschaftssysteme
  • Demontierung (ontmanteling)
    • Senkung der Standesgesellschaft

6. Horizontale Zivilisation: Kunst friedlich zu kämpfen

  • Wettbewerb, beraten, debattieren
  • Rechtspraxis
  • Markt
  • Sport; wetteifern
  • Ausbildung
  • demokratische Verfahren
  • Verhandlung, Haushalt
  • Satire

7. Vertikale und horizontale Zivilisationstypen

Vertikale Ordnung
Horizontale Ordnung
Alles ist fest
Eine heilige Wahrheit
Gehorsam
Sie sollten Ihren Platz wissen
Ungleichheit ist notwendig
Freiheit ist gefährlich
Konflikte sind gefährlich
Kämpfe vermeiden
Alles ändert sich
Permanente Diskussion
Mündigkeit
Man muss seinen Platz erobern
Im Grunde gleich
Wunsch nach mehr Freiheit
Konflikte hantieren
friedlicher Kampf

.
8. Die abweichenden Einzelnen

 Vertikale Ordnung  Horizontale Ordnung
Widerwillig, unbewusst, ungewollt
Zeigt Schwäche
Angst
Schöpft Einheit
Beitrag um Ruhe wiederherzustellen
Zum Schweigen gebracht
Literatur der Helden
Eigenwillig , selbstbewusst, selbstgewählt
Zeichen der Stärke
Mut
Stört  Einheit; erzeugt Unruhen
Findet mehr Gehör als jeder andere
Die Literatur ist von Individuen

.
9. Schlussfolgerungen

  1. Menschen haben den Kampf für das Leben im Essenz gewonnen durch ihre sozialen Fähigkeiten.
  2. Was bleibt ist Wetteifern um Begehren
  3. Einsatz für das Heilige: eine Welt ohne Konflikte oder Kämpfe ist undenkbar und auch unerwünscht und ist sofort unmenschlich. Friedlich kämpfen müssen wir lernen.

TEIL 2  VERHALTENSMÖGLICHKEITEN

Zweite Teil ist mehr gerichtet auf dem Thema ‚Anpassen, Beharren und Wiederstehen‘ und bezieht sich mehr auf das Alltägliche. Statt nur passend fügsam und gehorsam den Geboten Gottes zu folgen, ist der gute Mensch in der säkularen Gesellschaft aufgerufen, sein gutes Leben zu gestalten.

10. Verhaltensmöglichkeiten

ANPASSEN   BEHARREN WIDERSTEHEN
Strategie zum Überleben Prinzipen Verzweiflung
Harmonie, Angehörigkeit Interessen Ungehorsam
Angst an äußerliche Anpassung Nach Autonomie streben Ideologie
Positive Behandlung Selbstentfaltung Werte
Zwang Heldenhaftigkeit Passiver Widerstand
    Unterscheidungsdrang

.
Anpassen ist der normale Reflex und ich denke meistens auch die meist vernünftige Verhaltensweise. Will man zu einem Gruppe gehören, dann muss man sich anpassen. Wir müssen uns anpassen an die sich ändernden Umstände z.B. die Rolle der Computer in dieser Zeit aber auch der unvermeidliche Tod eines Geliebten, Verlust von Arbeit. Anpassung ist auch wichtig zum Überleben bei der Geiselnahme oder im Konzentrationslager

Wir können uns auch nicht anpassen, beharren in alten Verfahren, Sitten und Bräuchen. Aber nicht anpassen hat seinen Preis.

Es gibt auch ein Unvermögen zur Anpassen, was in der Psychiatrie Anpassungsstörung genannt wird.

11.  Anpassungsstörung

Fortbestehende identifizierbare psychosoziale Belastung, die die Entwicklung klinisch bedeutsamer emotionaler oder verhaltensmäßiger Symptome zur Folge hat:

  • Gefühl von Bedrängnis
  • emotionale Beeinträchtigung
  • verändertes Sozialverhalten
  • Probleme mit Nähe/Distanz
  • evtl. sozialer Rückzug
  • Gefühle der Leere
  • Gedankenkreisen (Grübeln)
  • gesteigerte Sorge
  • Freudlosigkeit
  • Trauer
  • Angst
  • depressive Verstimmung

Wann leisten Menschen Widerstand? 

  • Wenn sie sich bewusst machen, dass etwas nicht fair ist oder eine Beschädigung für die Gesellschaft und die Menschenrechte vorliegt.  
  • Wenn sie treu zu sich selbst sein wollen; bedeutet das, dass man sich befreit von externen Regeln und Zwang (eine romantische Fiktion?)
  • Widerstand gegenüber Veränderungen oder einer Situation.

12. Schlussfolgerung

  • Bewusstsein ist der Rohstoff für die Widerstand und das verantwortliches Verhalten.
  • Ein heiteres Bewusstsein ist, was wir erreichen wollen durch Beispiele
    (Christoph Schnyder über Dietrich Bonhoeffer) und Gruppendiskussion.