Jun 082014
 

Upanischaden

Von Paul Gäbler

Evangelisches Kirchenlexikon – Kirchlich-theologisches Handwörterbuch, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1. Auflage 1959, Band P – Z, Spalte 1580 – 1581


Altindische Traktate von sehr verschiedenartigem Alter, Umfang und Wert, die sich mit philosophisch-spekulativen Fragen befassen. Der Ausdruck Upanischaden („dicht niedersitzen“) lässt erkennen, dass es sich von Haus aus um Geheimlehren handelte, welche der Schüler dicht zu Füßen seines Lehrers ins Ohr gesagt bekam. Die älteren Upanischaden, deren frühesten wohl bis etwa 500 vor Christus zurückgehen, sie gehören neben den Veden und Brahmanas zu den als kanonisch betrachteten heiligen Schriften der Inder. Sie werden auch Vedânta („Veda-Ende“) genannt, insofern sie zeitlich den Abschluss und inhaltlich die Vollendung des Veda darstellen. Die Entstehungszeit der späteren Upanischaden dagegen reicht bis etwa 1500 nach Christus.

Während in der vorhergehenden Epoche, der Brahmanazeit, die priesterlichen Denker als das Entscheidende das Opfer betrachtet hatten, trat in der Zeit der Upanischaden eine Hochschätzung der denkerischen Tätigkeit immer stärker in den Vordergrund. Sie fand ihren Niederschlag eben in den Upanischaden. Damit wurden die Voraussetzungen für die spätere Entwicklung, der sechs verschiedenen philosophischen Systeme der Inder gelegt. Nunmehr erschien das Opferritual, also das Karma (hier: Tun), als eine zwar notwendige, aber „niedere Wissenschaft“, während die jnâna (Erkenntnis, Wissen) als „höhere „Wissenschaft“ galt. Dieses Erkenntnisstreben kreiste um Brâhman (das göttliche Allwesen), Ȃtman (sowohl die Allseele wie auch die Einzelseele) und die Welt und gipfelte in den Formeln „tat tvam asi“ („das bist du“) und „aham hrahmâ ’smi'“ („ich bin das Brahman“): die Einzelseele ist identisch mit der Allseele.

Als die Upanischaden erstmalig durch Anquetil du Perron’s lateinische Übersetzung (1801/02) im Abendlande bekanntgeworden waren, schrieb A. Schopenhauer: „Sie (die Lektüre der Upanischaden) ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens sein“ (Parerga u. Paralipomena II, § 184).

Übersetzungen 

  • P. Deußen: Sechzig Upanischaden der Veda, 1. Auflage 1897, 3. Auflage 1921
  • K. F. Geldner, in: RGL, 2. Auflage 1928, Teil 9
  • J. Hertel: Die Weisheit der Upanischaden, 1921
  • A. Hillebrandt: Aus Brahmanas und Upanischaden, 1921; Neuauflage mit Vorwort von Herrn v. Glasenapp, 1958
  • S. Radhakrishnan: The principal Upanishads, 1953 (sanskrit und englisch)
  • W. Ruben: Beginn der Philosophie in Indien, 1955, S. 128 – 331.

Literatur

  • P. Deußen: Die Philos. der Upanischaden, 1. Auflage 1899, 3. Auflage 1919
  • J. N. Farquhar: An Outline of the Religlous Literature of India, 1920, S. 52 ff. 363 ff.
  • H. v. Glasenapp: Die Literatur Indiens von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, 1929, S. 68 – 79
  • F. Heiler: Die Mystik der Upanischaden, 1926
  • B. Heimann: Die Entwicklung des Gottesbegriffs der Upanischaden, 1926
  • H. Jacobi: Die Entwicklung der Gottesidee bei den Indern, 1923
  • St. Konow: Das Denken der U., in: Chant I, 66 – 77
  • H. Oldenberg: Die Lehre der Upanischaden und der Anfänge des Buddhismus, 1. Auflage 1915, 2. Auflage 1923
  • R. D. Renade: A constructive Survey of Upanishadic Philosophy, Poona 1926
  • S. Radhakrishnan: Die Philosophie der Upanischaden, in: Indische Philosophie I, 1955, Seite 117 – 226
  • W. Ruben: Die Philosophie der Upanischaden, 1947.

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